Meine eigene Welt

Sie meinten, ich wäre hyperaktiv und aggressiv. Unfähig zu lernen. Ja, sogar das Wort "Dumm" fiel des Öfteren. All diese Theorien und Beschuldigungen bewegten sich in die gleiche Richtung. Leider lag diese gegenteilig zu der der Wahrheit. Ich wünschte mir, dass sie meinen wahren Antrieb erkannten und mich förderten. Doch diese Sehnsüchte blieben unerfüllt. Niemand brachte Kreativität und Schöpfungsvermögen in einen Satz mit meinem Namen. Anfangs trauerte ich im Stillen um diese mangelnde Vertraulichkeit.
Dann kam die Gleichgültigkeit. Ganz ohne Gefühlsregungen - eine lähmende Leere. Später bäumte ich mich erneut auf, viel heftiger als jemals zu vor. Ich trotzte und wiedersprach allem und jeden. Auch wenn dieses Alle und Jeder kanonisch im Recht waren, ich musste, von einem mir bis dahin unbekannten Drängen in meinem Inneren vorangetrieben, gegenhalten. Vor allem bei Menschen, die mir einst nahe standen - Vater, Mutter, Bruder - war der entstandene Bruch nicht mehr zu überbrücken. Doch diesen Krieg zu gewinnen, einen Kampf, bei dem dein eigener Verbündeter du selber bist und entgegen die ganze Welt steht, ist unmöglich. Nach und nach gestand ich mir wiederstrebend die schmerzende Aussichtslosigkeit meines Tuns ein. Schließlich gab ich kraftlos auf, zerschnitt die haarfeine Verbindung zu der Außenwelt und zog mich nun endgültig zurück.
Doch kann ein Mensch nicht lange im Alleinsein verbringen. Ich suchte nach Wegen mich neu zu beleben, mich neu zu verbinden und frei zu entfalten. Es dürstete mich nach verdienter Anerkennung und je länger ich mich bedachte, desto mehr gestand ich mir ein, dass ich Gemeinschaft benötigte. So ersann ich diese meine eigene Welt. Ein persönliches Universum, das nur mir und meinen Träumereien gehorchte. Eine Utopie, die nur meinen eigenen geheimen Sehnsüchten dienen sollte.

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