Auf der Waldlichtung

Es war einmal ein großer staatlicher Baum. Um genauer zu sein, handelte es ich hierbei um einen Eichenbaum - und dieser war bereits mehrere Hunderte Jahre alt. Er war der älteste Baum im ganzen Wald und stand majestätisch aufgerichtet inmitten einer großen Lichtung. Manche einer behauptete, der Baum stünde hier schon lange bevor das ganze Land um ihn herum zu einem Wald heranwuchs.
Alle Tiere des Waldes mochten den lieben, weisen Baum. Einmal im Monat, zum Vollmond, versammelten sich alle Kreaturen des Waldes um den Baum herum und feierte ein Fest. Sie lachten, musizierten und waren alle sehr fröhlich. An diesem einem Abend waren alle Tiere Freunde. Der Hase lud den Wolf zu einem Tänzchen ein. Die Maus ritt vergnügt auf der Wildkatze und der Grashüpfer spiele furchtlos auf seiner Violine, während die Eule im Takt uhute.
Auf diesen besonderen Tag freute sich der große Baum immer. Er wiegte sich langsam zu den Klängen der Musik, raschelte mit seinen Blättern im Wind und summte zufrieden vor sich hin.
Der Baum war erst verwundert, dann besorgt war es doch schon sehr lange her, dass er diesen besonderen Tag alleine verbringe musste.
Der große Baum versuchte sich zu strecken um in die ferne Blicken zu können um möglicherweise die Ursache für das Fernbleiben seiner Tiere zu finden. Doch der altersschwache Stamm und die knorrigen Äste ließen sich nicht so einfach strecken und so musste der alte Baum sein Vorhaben schon bald aufgeben.
Er rief die Bäume an, die die Lichtung um ihn herum begrenzten. Doch diese standen so weit von ihm weg, dass er nur ein kaum verständliches Flüstern vernahm. Alles was er auf diese Entfernung verstand, waren die Worte: Gefahr, Gefahr.
Was sollte der altehrwürdige Baum nun tun? Ihm blieb wohl nichts anderes übrig als geduldig zu sein und so ließ er traurig seine Zweige sinken und wartete.
Die Zeit verging doch kein Tier ließ sich blicken. Nur die Bäume um ihn herum wurden immer unruhiger.
Plötzlich flog eine Taube vorbei. Es war keine gewöhnliche Taube, sondern ein waschechte Brieftaube, die ihr Fressen damit verdiente Nachrichten zu befördern. Diesmal kam die Taube auf Afrika. Wo sie eine ganz dringende Mitteilung abliefern musste. Nun war die Taube auf dem Heimweg. Sie war schon sehr müde. Als sie den großen Baum auf der schönen Lichtung bemerkte, beschoss der Vogel dort zu rasten. Und so dreht er eine erhabene Runde und landete auf den breiten einladenden Ästen des Baumes.
Erst jetzt merkte die Taube, dass der Baum sehr niedergeschlagen war.
"Hallo lieber Baum, was ist den los mit dir? Hast du Schmerzen?", fragte die Taube.
"Nein", antwortete der Baum. "Schmerzen habe ich keine. Ich bin nur sehr traurig, dass meine kleinen Tiere mich heute nicht besuchen kommen. Ich mache mir sorgen, es muss etwas schreckliches passiert sein, wenn sich überhaupt niemand bei mir meldet. Und ich kann mich nicht von hier fortbewegen um nach der Ursache zu schauen. Zu sehr bin ich an dieser Stelle verwurzelt."
"Sein nicht mehr traurig, lieber Baum", sagte die Taube. "Ich werde nachsehen, wo deine Tiere bleiben und dir berichten,"
Und trotz ihrer Müdigkeit erhob sich die Taube in die Lüfte und flog immer höher und höher. Als sie so weit oben war, dass die riesigen Bäume unter ihr wie kleine Spielzeugpflänzchen wirkten, schaute sich die Taube um.
Sie sah in den Norden. Entdeckte dort aber nichts Besonderes.
Sie sah in den Osten. Fand dort aber nichts Auffälliges.
Sie sah in den Süden. Auch dort war es ruhig.
Sie sah in den Westen - und erschrak. Was war das? Der nächtliche Himmel in der Ferne glühte rot.
So schnell die Taube konnte, flog sie gen Westen. Und je näher sie der Stelle kam, desto wärmer wurde es ihr.
Als sie schließlich ihr Ziel erreichte, war es so heiß, dass die arme Taube kaum mehr atmen konnte. Doch sie fand die Ursache für das Fehlen der Tiere und für das rote Glühen und für die unerträgliche Hitze. Der Wald brannte!
Der Wald brannte - und alle Tiere hatten sich hier versammelt um das Feuer zu bekämpfen. Die furchtlosen Tiere bildeten eine Kette vom Feuer bis zum Fluss und reichten Behälter mit Wassern durch. Alte Eimer, Konservendosen, Schalen aus riesigen Blättern wurde am kleinen ruhigen Fluss mit Wasser gefüllt und solange von Waldbewohner zu Waldbewohner weiter gegeben, bis am ende direkt ins Feuer geschüttet wurden. Doch egal wie sehr sich die Tiere bemühten das Feuer breitete sich sehr viel schneller aus, als die Tiere es bekämpfen können. Manche von ihnen lagen schon total erschöpft auf dem Grasboden und konnten nicht mehr.
Aus seiner Hohe sah die Taube, dass die tapferen Tiere keine Chancen hatten, das gnadenlose Feuer zu bekämpfen. Doch die schlaue Taube hatte eine Idee. Sie stürzte in die Tiefe, schnappte sich einen noch rauchenden kleinen Zweig und flog anschließend Blitz schnell in die benachbarte Stadt. Dort angekommen, steuerte sie zielsicher auf ein rotes Gebäude am Rand der Stadt zu: die örtliche Feuerwehr. Sie flog ins Gebäude und steuerte den allerersten Feuerwehrmann an. Die mutige Taube flog um den Mann herum. Sie zwitscherte aufgeregt und versuchte sich zu verständigen, doch der Feuerwehrmann blickte sie nur verständnislos an. Dann ließ sie den verbrannten Zweig auf den Boden vor die Füße des Mannes fallen. Er hob zögernd den Zweig auf, schaue diesen fragend an und verstand plötzlich was ihm die Taube mitteilen wollte.
"Feuer! Brennt es irgendwo?", fragte er ganz aufgeregt.
Die Taube lies sich inzwischen auf seiner Hand nieder und nicke hastig.
"Zeigst du uns den Weg?", bat der Feuerwehrmann.
Erneut nickte die Taube und erhob sich Taten freudig in die Luft.
"Moment. Ich hole die anderen!", rief der Feuerwehrmann und drückte auf einen großen roten Knopf an der Wand. Eine Sirene ertönte und wenige Minuten später saßen sechs Feuerwehrleute im großen roten Löschwagen und folgten mit Blaulicht und Sirene der Taube in Richtung Wald.
Auf dem Weg zum Wald riefen die Feuerwehrleute per Funk Verstärkung aus den umliegenden Städten und Gemeinden. Und als die Männer an der Unglücksstelle ankamen, waren dort schon fünf weitere Löschfahrzeuge zu Gange.
Es dauerte nicht lange und gemeinsam hatten die Tiere und die Menschen das grausame Feuer besiegt. Trotz der Erschöpfung fielen sich die Tiere in die Arme und machten Freudentänze.
Die Menschen waren sehr verwundert - sie sahen noch nie so viele Tier gemeinsam gegen ein Unglück kämpfen. Und nun feiern die Tiere miteinander. Hatten die Menschen die Tiere doch falsch eingeschätzt?
"Lasst uns zum großen Baum ziehen und ihm die freudige Botschaft überbringen: wir haben das Feuer besiegt!", rief ein großer schwarzer Bär aus und machte sich daran den feierlichen Zug der Tiere anzuführen.
"Wartet mal", sprach die Taube, "Was ist mit den Menschen? Sie haben euch doch geholfen!"
"Ja", bestätigte der schwarze Bär. "Du hast recht. Doch wie sollen wir ihnen klar machen was wir tun wollen? Sie verstehen doch unsere Sprache nicht."
"Last es mich versuchen", bat die schlaue Taube und flog direkt zu dem Feuerwehrmann, mit dem sie im Feuerwehrhaus Kontakt hatte. Der Feuerwehrmann war nun nicht mehr wieder zu erkennen. Sein ganzes Gesicht war vom Ruß schwarz verschmiert und er sah sehr müde aus. Doch er lächelte, als er die Taube wieder erkannte.
Die Taube setzte sich vertrauensvoll auf die ausgestreckte Hand des Feuerwehrmanns. Dann deutete sie mit der rechten Flügel in eine Richtung und gurrte dabei zufrieden.
"Möchte sie uns auf ein weiteres Feuer aufmerksam machen?", fragte ein anderer Feuerwehrmann erschrocken.
"Nein", antwortete der erste Feuerwehrmann lächelnd, "Ich denke dieses Mal möchte sie uns zum Dank einladen.
"Einladen? Wohin?", fragte der andere Feuerwehrmann verwirrt.
"Das weiß ich auch nicht", bekam er als Antwort, "aber ich lasse mich gerne überraschen."
"Fliegst du bitte vor?", bat der freundliche Feuerwehrmann die Taube.
Diese nickte fröhlich und hob ab.
"Und ihr anderen Tiere", sprach der Feuerwehrmann weiter, "wollt ihr nicht auf unsere großen roten Feuerwehrautos aufsteigen und euch fahren lassen?"
Die Tiere verstanden zwar nicht die Sprache, konnten aber die Gesten richtig deuten.
Der alte Baum stand immer noch alleine auf seiner Lichtung und trauerte um die verschwundenen Tiere. Urplötzlich landete die Taube auf seinen Zweigen.
"Hallo meine kleine Taube konntest du die Tiere finde?" fragte der Baum.
Die Taube nickte. Und wie auf Befehl ertönte aus dem Wald herum lautes Motorengeräusch und ohrenbetäubendes Hupen. Einen Moment später strömten knallrote Feuerwehrautos voller Tiere und Menschen auf die große Lichtung. Da freute sich der alte Baum. Alle Tiere und Menschen feierten die Ganze Nacht und die Lichtung war so voll wie es noch nie jemand erlebt hatte. Nicht mal der alte weise Baum.

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