Das Maginet

"Das Maginet ist an sich keine komplizierte Sache. Wie der Name vermuten lässt, ist hier tatsächlich Magie im Spiel, doch die Aufgaben dieser mystischen Disziplin beschränkt sich ausschließlich auf den Transport der Informationen. Die eigentliche Basis der Informationstechnologie ist deutlich profaner. Die Technik basiert auf exakten wissenschaftlichen Grundlagen und bedient sich bewährten Elementen aus der Physik und Chemie.
Doch ich greife vor, fangen wir am besten von vorne an.
Es ist gut neunzig Jahre her, dass Dr. Gonzo Huse, ein hoch dotierter Erfinder und technische Mitarbeiter an der Technischen Universität zu Holzhausen wichtige Informationen zur Patenlage mehrschichtiger Sauerstofffilterapparate zur Beschleunigung feuerangetriebener Fahr- und Fluggeräte benötigte. Er begab sich daher zum lokalen Patentamt und bat um die gewünschte Unterlagen. Die dortigen Beamten taten ihr bestes: sie suchten mehrere Monate nach den entsprechenden Niederschriften in lokalen Archiven, wie auch in allen sonst bekannten Patentämtern rund um die Welt. Obwohl die schnellsten geflügelten Boten eingesetzt wurden und keinerlei Kosten bei der Beschaffung dieser Informationen gescheut wurden, war der größte Konkurrent von Dr. Huse, der Graf Stantiski von Beryl, schneller und meldete in der Zwischenzeit ein Patent an, welches eine Erfindung kanoniserte, die der Erfindung von Dr. Huse extrem ähnlich war. Nachgewiesener Maßen, hatte Graf Statinski gerüchteweise vom Dr. Huses Anfrage in Holzhausen gehört und hatte während der Prüfphase des Patentamtes genug Zeit gehabt um selbständig ein Produkt zu entwickeln, welches sich funktionstechnisch mit dem von Dr. Huse deckte und als erster ein Patent anzumelden. Diese Erfindung revolutionierte die Industrie und brachte Graf Statinski unbeschreiblich viel Gold und Ruhm ein. Dr. Huse - obwohl er als erster die Idee dazu hatte und als erster einen vorführungswürdigen Prototypen besaß - ging leer aus. Dies ärgerte ihn dermaßen, dass er beschloss neue Wege zu suchen, um die Informationsbeschaffung signifikant zu verbessern. Er gründete eine Forschungsgruppe bestehend aus Handwerkern, Technikern, Biologen, Geologen und Magiern, um die Möglichkeiten für sein Vorhaben auszuloten. Um nicht schon wieder vom Graf Stratinski überholt zu werden, machte er publik, dass er sich mit der Ertragsmaximierung von Getreide beschäftigte. Er warf absurde Theorien auf, die hochtrabende Begriffe wie GENMANIPULATION, MOLEKULARBIOLOGIE und REKOMBINANTE DNA zu Inhalt hatten und lockte somit seinen Erzfeind auf eine falsche Fährte.
Im Geheimen aber experimentierte das Expertenteam mit lebender und toter Materie, um geeignete Medien zur zentralen Speicherung von riesige Datenbeständen zu ermöglichen. Es wurden Wege gesucht diesen Daten einen verzögerungsfreien globalen Transport zu ermöglichen. In weiteren Schritten wurden Verfahren entwickelt, die eine Replizierung dieser Daten erlaubten, um das gesammelte Wissen redundant ablegen zu können. Dies sollte sowohl der Ausfallsicherheit, wie auch die Erreichung höhere Zugriffe dienen.
Nach nur zwei Jahren Entwicklungzeit präsentierte das Team rund um Dr. Huse der erstaunten Welt - und dem nicht minder erstaunten Graf Statinski - das Maginet.
Das System war bis ins kleinste Detail durchdacht und kombinierte unterschiedliche Disziplinen aus den Bereichen der Wissenschaft und der Mystik zu einer einzigen perfekt funktionierenden Maschinerie. Die Daten selbst wurden in künstlich gezüchteten Schleimkonzentraten abgelegt. Diese organischen Speicher zeichneten sich durch extrem geringe Latenzzeiten aus, hatten jedoch den Nachteil einer sehr begrenzten Lebensdauer und mussten daher in regelmäßigen Abständen erneuert werden. Zur Sicherung und dauerhaften Aufbewahrung der Datenbestände wurden seltene und ungeheuer teure Klarkristale verwendet. Die Zugriffe auf diese Daten wurden mit Gerätschaften realisiert, die so kompliziert, so winzig und so filigran waren, dass bei der Herstellung von benötigten Komponenten nur ein Bauteil bei tausend durchgeführten Versuchen gelang. Dreifarbige Lichtstrahlen wurden durch klitzekleine Linsen, welche mit bloßem Auge nicht mehr wahrgenommen werden konnten, so stark konzentriert, dass je nach gewünschtem Zustand Informationen in die entsprechenden Datenträger geschrieben wurden, bzw. wieder ausgelesen werden konnten.
Soweit so gut, bis hierher kam die Wissenschaft zwar auf Umwegen, doch sie schaffte es ohne Unterstützung seitens der magisch begabten Fraktion. Die Informationsapparate standen nun bereit und waren prall gefüllt mit wichtigen und weniger wichtigen Testdaten. Lokal gesehen, konnte nun auf die Speicher bidirektional zugegriffen werden, doch dies war schon vor der Dr. Huses Erfindung in den jeweiligen Staatsbüchereien und Privatbibliotheken möglich. Der blitzschnelle Zugriff von überall her, war das Problem, welches er mit seiner Arbeitsgruppe lösen wollte. Die erste Option bestand darin, Leitungen zu verlegen. Hochgeschwindigkeits-Datenbahnen, die angefragte Informationen in Sekundenbruchteilen von A nach B transportieren sollten. Diese Herangehensweise an das Transportproblem setzte allerdings eine extreme Verkabelung der bekannten Welt voraus. Der Aufbau dieser Infrastruktur wäre sehr ressourcenlastig und fehleranfällig. Des Weiteren würde es Jahre, wenn gar nicht Jahrzehnte dauern, die erforderlichen Leitungen in der benötigten Menge zu verlegen, so dass jeder Bewohner der Welt einen Zugriff auf dieses neue öffentliche Informationsnetzwerk erhielt. Eine Beschränkung des Zugriffes auf ausgewählte Institutionen lehnte Dr. Huse kategorisch ab. Die Informationen sollten allen Bewohner von Gronia zur Verfügung stehen und ein Allgemeingut werden. Daher kam nur eine Möglichkeit in Frage: eine kabellose Übertragung der Daten. Und hier kam die Magie in Spiel.
Wie allgemein bekannt durchziehen magische Ströme unsere komplette Welt. Dabei ist es vollkommen egal, ob man sich auf dem Lande, in der Luft, unter Wasser oder unter der Erde befindet, überall können Wesen mit der entsprechenden Begabung- diese Energien anzapfen. Ein gewisser Professor Dr. Brunk Dallien - welcher für seine radikalen, aber richtungweisende Ideen bekannt war - vertrat die gewagte Theorie, dass diese ganzen magischen Energien nicht nur überall existent sind, sondern auch ausnahmslos miteinander verknüpft wären. So soll z.B. auch die allseits beliebte telepathische Kommunikation über eben dieses Netzwerk (ein Begriff, auf den Professor Dallien ganz besonders stolz war) stattfinden - spann er den Gedanken weiter. Doch bevor Professor Dallien praktische Beweise für seine gewagte Theorie liefern konnte, verschwand er leider bei einer seiner zahlreichen Expeditionen spurlos. Das Ziel der besagten Expedition war es nachzuweisen, dass Kannibalismus bei den Eingeborenen des Jura-Dschungels heilbar wäre. Böse Zungen behaupteten, dass Professor Dallien mit dieser seiner letzten Theorie definitiv daneben lag und damit nicht nur für die Presse eine gefundenes Fressen wurde.
Dr. Huse nahm sich der Theorie der vernetzten magischen Energien an. Und es funktionierte tatsächlich. Schon beim ersten Versuch wurde die gesendeten Daten über eine Entfernung von mehr als 100 Kilometer empfangen. Diese Informationspakete kamen zwar nicht vollständig an, doch nach einigen Experimenten mit diversen Komprimierungs- und Validierungstechniken der magischen Algorithmen gelang eine nahezu 100prozentige Datenübertragung. Des Weiteren wurden in Zusammenarbeit mit den Mitgliedern der magischen Gilden unzählige Informationsportale eingerichtet, die zum Einen in regelmäßigen Abständen die entsprechenden Signale verstärkten und somit eine höhere Reichweite der übertragenen Informationen ermöglichten. Zum Anderen koordinierten diese Knotenpunkte die zielgerechte Verteilung der angeforderten Informationen."

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