HOME

DES STEINES WUNSCH

Am Wegesrand ganz tief in der staubigen Sandwüste lag ein einsamer Stein. Er lag dort schon seit Jahrtausenden und sein größter Wunsch war es einmal die Welt zu bereisen, viele abenteuerliche Orte zu sehen und neue Freunde zu gewinnen. Doch da er wirklich schwer und sehr unförmig war, konnte er sich aus eigener Kraft nicht bewegen. Eines Tages bat er den vorbeiziehenden Wind darum, ihn mit der mächtigen Kraft der Luft zu unterstützen. Der freundliche Wind wollte dem unglücklichen Stein helfen und willigte sofort ein. Er wehte und stürmte und gab sein Bestes, doch auch nach mehreren Stunden mühsamer Arbeit, konnte er den Stein um keinen Millimeter bewegen. Höfflich entschuldigte sich der Wind und bot dem niedergeschlagen Stein an, einen Freund, den Regen zu holen. Möglicherweise würden beide gemeinsam dem Stein helfen können. Der unglückliche Stein schöpfte neue Hoffnung und wartete geduldig. Weiterlesen weiterlesen

DIE MAHLZEIT MIT DEM FEIND

Eigentlich sollte Helmut Geiger ein sehr glücklicher Mensch sein. Er sah gut aus und war in seiner Beruf als Staatsanwalt sehr erfolgreich. Er kannte eine Menge wichtiger Leute und was Frauen anging, da hätte er jede Nacht eine andere haben können oder mehrere auf einmal - was nicht selten vorkam. Er hatte in seinen jungen Jahren mehr erreicht, als die meisten Menschen in ihrem ganzen Leben erreicht haben würden. Doch eine Sache nagte immer wieder an seinem mächtigen Ego und ließ ihn sein durchaus vollkommenes Glück nicht genießen. Seit seiner Kindergartenzeit hatte er einen Freund im Nachbarhaus. Sie gingen später auch gemeinsam auf Schule, besuchten die gleiche Uni und erhielten sogar beide im selben Anwaltsbüro einen Arbeitsstelle. Soweit, so gut. Doch leider gab es die ganze Zeit hindurch ein Problem. Egal was der Helmut tat, sein Kumpel, Arno Hecht, war immer etwas besser. Ob es um Schulnoten ging, ob es der Beliebtheitsgrad bei Freunden und Kollegen war, ob es die Menge und Qualität der weiblichen Bekanntschaften anging, Arno war einfach immer der eindeutige Sieger. Und trotzdem war er weder hochmütig noch geizig, weder nachtragend, noch neidisch. Er war stets offen und freundlich, höfflich und hilfsbereit. Und vielleicht waren es genau diese Eigenschaften, die ihm seinem Freund gegenüber einen stetigen Vorteil sicherten. Weiterlesen weiterlesen

DAS PISSOIRPINKELNRENNEN

Man nehme ein Pissoir und mindestens zwei Teilnehmer mit je einer randvollen Blase. Es ist wichtig zu beachten, dass im unteren Pissoirbereich der normale Wasserspiegel vorherrscht. Ist dies nicht der Fall, einfach mit einigen kurzen Drückern auf die Spülung nachhelfen. Nun gibt man eine kleine, 0,5 - 1,0 Zentimeter kleine schwimmende Kugel ins Wasser. Am besten vom Rand reinrollen lassen, den sonst besteht hier eine sehr hohe Gefahr das pfuige Innere des Beckens zu berühren. So, die Rennfläche ist vorbereitet. Jetzt wird entschieden, wer von den Teilnehmern anfangen darf. Dazu greift jeder in die Hose des anderen und wer den Kürzeren zieht, darf beginnen. Wer genau weiß, dass er auf diesem Weg verlieren würde, kann natürlich auch ganz unverbindlich die altbekannte Methode mit den Streichhölzern vorschlagen. Ist der Erste bestimmt worden, dann heißt es 3, 2, 1 und pullern. Dabei sollte entweder links oder rechts von dem Wasserinhalt gezielt werden. Ziel ist es im Wasser einen Strudel zu erzeugen und die schwimmende Kugel dient hierbei als Orientierungspunkt. Ein unvoreingenommener Schiedsrichter zählt die Kreise, die diese Kugel zurückt legt. Hat der eine Teilnehmer seine ganze Munition verschossen, kommt der nächste dran. Wer am Ende die meisten Umdrehungen geschafft hat, ist der eindeutige Sieger. Ganz wichtig: Händewaschen nicht vergessen.

Ein kleiner Tipp zum Schluss: Während dieses spannenden Wettkampfes eine Videokamera laufen lassen. So kann man, wenn gerade mal kein Fußball im Fernsehen läuft, sich mit Freunden bei einem kühlen Bierchen ganz gediegen einen netten Videoabend machen.

ZURüCKHALTUNG

Damals war ich an einer verrufen Volksschule in unserem gettoähnlichem Stadtteil. Ich stand in der Pause halb verdeckt von Büschen an der hinteren Schulmauer und beobachtete wie so oft das bunte Geschehen auf dem überfüllten Schulhof. Dank den unzähligen Aussiedlerwohnheimen in diesem Stadtteil und dem überdurchschnittlich hohem Anteil an Armut, waren hier alle Nationalitäten vertreten. Nicht nur auf den Straßen schlossen sich die Zugehörigen eines Landes zu Gangs zusammen. Diese nationalen Gruppenbildungen kannte ich auch aus unserer Familie. Als Spätaussiedler kamen wir vor einigen Jahren nach Deutschland und wurden auch prompt hierher verfrachtet, zu den ganzen anderen geduldeten Ausländern aus der großen weiten Welt. An unserem ersten Tag wurden wir von unseren Landsleuten begrüßt und unter deren Fittiche genommen. Sie begleiteten uns bei Behördengängen, zeigten uns wo man kostenlos Nahrung und Klamotten abstauben konnte und nannten uns die Regeln, die es in diesem wilden Mix aus verschiedensten Kulturen zu beachten galt. Wir hatten Glück und gehörten als Russen zu einer der mächtigeren Gruppierungen dieser Gegend. Neben den Türken und Chinesen, waren wir die drittgrößte "Macht" im Viertel. Jede Nationalität blieb unter sich und wenn Kontakte mit den Anderen geschlossen wurden, dann waren diese ausschließlich geschäftlicher Natur. Weiterlesen weiterlesen

ICH WEIß WO DEINE IDEEN HERKOMMEN

Einmal auf einer kleinen gemütlichen Sauf-und-Abhäng-Fete in der Wohnung eines Freundes, drehte sich zwischen zwei Schlucken Becks Gold ein Kumpel zu mir um und sah mich seltsam an. Ein für seinen Zustand erschreckend klarer Blick ließ mich aufmerksam werden.
"Ich weiß ganz genau wo du deine Ideen beim Schreiben her nimmst", sagte er ganz plötzlich mit klarer Stimme.
Das kam für mich so überraschend, dass ich außer einem "Ach ja?" gar nichts herausbrachte.
"Ja", meinte er ganz ernst, "Ich weiß es ganz genau. Und zwar nicht nur du, sondern auch die anderen Schreiberlinge. Einfach alle Menschen auf dieser Welt."
Darauf hin sagte ich etwas irritiert: "Da bin ich aber gespannt. Ich höre zu." Innerlich bereitete ich mich auf eine dieser sinnlosen Diskussionen, wie sie bei solchen Sessions oft stattfinden. Ich rollte meine mentale Campingdecke aus, legte mich bequem hin und war für dieses pädagogisch wertvolle Gespräch bereit.
Ich wartete.
Er schwieg. Weiterlesen weiterlesen

KRANKSEIN

Du liegst grad im Bett und bist ganz blass,
Hast Fieber und schwitzt, das Bett ist nass.
Doch keine Angst es geht bald vorbei,
Der Flo macht mit Sicherheit dir etwas Brei,
Und täglich des Doktors die vierzehn Tabletten,
Sie werden dich alsbald vom Schwindel erretten.
Zehn Tage noch und dann ist es soweit,
Musst jeden Tag sein für die Arbeit bereit.
Daher eile nicht und bleib ganz ruhig liegen,
Starr an die Decke und zähle die Fliegen.
Entspann dich und ruhe, du musst einfach lauschen,
Dann hörst du im Kopf dieses fiebrige Rauschen,
Und schließt du die Augen, so denk an das Meer,
Dann kommt es dir vor als ob’s Wirklichkeit wär’.
Und spürst du die Hitze, dann denk an die Sonne,
Wie diese erfüllt dich am Sandstrand mit Wonne.
Wenn sich alles dreht und es dir übelst schlecht ist,
Dann denke daran, das du in ´nem Traum bist.
Genieß diese Zeit und sie wird schnell vergehen,
So schlafe und träum schön bis wir uns bald sehen.


Anmerkung: Für mein kleines Schwesterchen... Smiley

IN DER KANALISATION

Sagt eine Ratte zu ihrem Nachbar:
Der ganze Scheiß hier ist echt brauchbar.
Darauf sein Kumpel ungeniert:
Ganz klar wer hier die Welt regiert.
Wer sonst denn als der wahre König,
Mit seinen Töpfen voller Honig,
Kann leben mit all dieser Verschwendung,
Der selbstsüchtigen Ressourceverwendung.
Doch wie bei frühen Reichen allen,
Wird dieses auch schon bald zerfallen.
Am Höhepunkt kam stets der Fall
Und da sind Menschen allemal.
Bald wird es diese nicht mehr geben,
Dann wird die Ratte sich erheben.
Sie wird all diese Menschensachen
Ganz anders und viel besser machen.

WAS SIND GEDICHTE?

Was sind die Reime, was Gedichte,
Solch träge Ferse, nichts für die Welt
Es schreiben diese nur verklemmte Wichte,
Meist nicht für Rum, nicht Frau, nicht Geld.

Es geht darin um Schmerz, um Liebe,
Um Hass, um Helden, Reichtum, Krieg,
Was wäre aber wenn die Feder im Etui bliebe,
Wäre dies nicht eines Schreiber Sieg?

Allein mit seinen Wünschen und Gedanken,
Im Inneren, da tobt der dunkle Sturm,
Kein Nachgeben und kein Stress ums Worteranken,
Von Aug zu Aug mit diesem nimmersatten Wurm.

Doch der Poet ist einsam und dann all diese Gefühle,
Das ist zu viel für ihn, er kommt hier nicht mehr klar,
Schnell raus damit, sonst bricht die schwache Hülle,
Unkontrolliert wird's dann und merklich sonderbar.

So schreibt er hastig solche Sätze nieder,
Er atmet ruhig und erleichtert aus.
Doch kurz danach sprudelt es im Tiefen wieder.
Und es muss raus, muss raus, muss raus.

Stellte er sich einmal diesem Fluss entgegen,
Und sagte, Nein, ich mag dies nicht mehr tun,
Dann wären wir verschont von manchen krummen Wegen,
Und der arme Dichter wäre ein für alle mal immun.

Er hörte auf und die Gedanken würden ihm vergeben,
Das er mit Zwang sie in die schlechten Reime presst,
Er hätte Spaß da draußen im normalen Leben,
Vereint mit Seinesgleichen und dem großen Rest.

DER DURCHSCHNITTLICHE DURCHSCHNITT

Prolog

"Du Schatz, ich bin schwanger." Sie steht vor mir und schaut mir voller Hoffnung in die Augen. So glücklich wie in diesem Moment habe ich sie schon lange nicht gesehen. Normalerweise würde ich in solchen Momenten scherzen, nicht unbedingt weil ich witzig sein möchte, sondern um mein Unwohlsein zu überspielen. Doch ich spüre, dass dies nicht der richtige Zeitpunkt für so etwas ist. Daher schenke ich ihr mein strahlendstes Lächeln und sage ihr, wie sehr ich mich freue. Nehme sie in meine Arme, streiche über das Haar, na das Übliche halt, was man so aus den Liebesschnulzen kennt. Nicht dass ich auf diese Art von Filmen stehe, aber manchmal muss ein Mann leider Grenzen seiner eigenen Belastbarkeit überschreiten und Dinge tun, die er sich nicht einmal in seinen schlimmsten Träumen ausmalen kann... Ja, ich habe schon mal Rosamunde Pilcher Filme ansehen müssen. Pardon, ansehen dürfen und in "Von Winde verweht" bin ich inzwischen zu einem wahren Meister emporgestiegen. Doch was wäre ein richtiger Mann, wenn er nicht aus jeder noch so sinnlosen Zeitverschwendung das Beste rausholen würde. Also beobachtete ich bei solchen Sitzungen den Film und die Frauen. Und bald schon konnte ich jede Reaktion der Frauen vorhersagen. Ich wusste genau, welche Szene was bei den Frauen auslöst und ich muss gestehen, manchmal griff ich auf dieses Wissen zurück und benutzte es im wirklichen Leben. Wenn man genau weiß, was von einem erwartet wird, ist das Leben um einiges leichter und angenehmer. Also stehe ich da, drücke sie an mich, streichle ihren Rücken und tue so, als ob ich ihren Zukunftsplänen verständnisvoll zuhören würde. In Wirklichkeit aber ziehen ihre Worte ungehört an meinem Ohr vorbei, ich blicke in die Ferne und meine Gedanken sind ganz woanders. Ein Kind? Ich bin doch erst dreißig! Mein vergangenes Leben zieht an meinem geistigen Auge vorbei. Und schlimmer noch, das zukünftige Leben folgt sogleich dichtgedrängt und ich sehe mich in Pantoffeln und Schürze in einer verdreckten Küche stehen. Eine fleckige Schürze um die Taille gebunden, ein schreiendes Kind im Arm und zwei weitere rennen um mich herum, schreien und bewerfen mich mit klebrigen Brei. Eine grauenhafte Vorstellung. Wie gut, dass Kinder reine Frauensache sind.
Weiterlesen weiterlesen

HELDENTOD

Mein Name ist Jan Dan Tjanchen. Und ich bin ein Held. Ja, lachen Sie ruhig... Fertig damit? Gut. Ich habe mir den Namen nicht ausgesucht und ja, er klingt weder männlich noch heldenhaft. Das ist mir bewusst. Aber trotz des, sagen wir mal etwas besonderem Namengeschmacks meiner Eltern, habe ich fünf Jahre bei der Föderalen Flotte überstanden. Fünf Jahre direkt an der Front, inmitten von Asteroiden und diesen verdammten Xarangas. Ja, ich war bei den Grenzkriegen mit dabei und lebe immer noch. Letzte Woche war meine Verabschiedung. Mit Dankeschön und Orden vom Vater Stadt und natürlich mit der Aufforderung sich für weitere fünf Jahre zu verpflichten. Mehr Sold und bessere Schiffe samt Ausrüstung. Das volle Programm also. Aber nein, vielen Dank. Wenn man einmal draußen war, weiß man was dort abgeht. Und mit diesem Wissen geht man mit Sicherheit nicht wieder an die Front. Von den Rekruten meines Jahrgangs kamen vierzig Prozent in Biosärgen nach hause. Weitere fünfzig Prozent wurden bei den Einsätzen pulverisiert und sind nun eins mit dem Universum. Die restlichen zehn Prozent, die bin ich. Hört sich alles sehr dramatisch an, ist aber leider die Wahrheit. Das letzte Jahr war kein sehr Gutes für die Streitkräfte der Föderation. Weiterlesen weiterlesen

^ top

© 2000-2024 ganje.de